Indikationen
Wen behandeln wir?
Das menschliche Leben verläuft sehr komplex. Unser Handeln und Erleben also auch menschliche Probleme haben selten die eine wahre Ursache. Meistens sind es viele Gründe aus unterschiedlichen Bereichen, die sich gegenseitig beeinflussen. Unsere Stimmung kann zum Teil von unserem körperlichen Zustand abhängen. Aber auch der umgekehrte Zusammenhang kommt nicht selten vor. Unserem Körper geht es dann besser, wenn wir psychisch ausgeglichen sind. Wichtige soziale Ereignisse positiv wie negativ können sich sehr schnell auf die Befindlichkeit und körperliche Verfassung auswirken.
Wenn der persönliche Vorrat an Bewältigungsmöglichkeiten eines Menschen nicht zu den Konflikten und Schwierigkeiten seiner Lebenssituation passt, können sich dauerhafte Spannungszustände, Angst, Unruhe oder depressive Verstimmungen entwickeln. Um den entstandenen Knoten zu lösen, ist es zuweilen günstig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Unsere Fachtherapeuten behandeln seit Jahren sehr erfolgreich ein breites Spektrum an Krankheitsbildern. Besondere Programme werden für depressive Erkrankungen, klassische psychosomatische Beschwerden, Angst-, Schmerz- und Essstörungen sowie traumatisierte Patienten angeboten. Weitere Therapieangebote richten sich speziell an Angehörige der sozialen Berufe Lehrer, Pfleger, Polizisten u.a. sowie Migranten.
Depressive Erkrankungen
Beim Verständnis depressiver Störungen sind unterschiedliche Erklärungsmodelle von Bedeutung. Depressive Verstimmungszustände können bei einem großen Teil der Patienten als Reaktion auf den Verlust zentraler positiver Ereignisse, auf dauerhafte Konflikte oder Belastungen im Leben verstanden werden.
Bei einem Teil der Patienten spielen erlernte dysfunktionale Einstellungen, Bewertungsmuster und Erwartungen eine Rolle. Andere Patienten wiederum scheinen aufgrund ihrer besonderen Disposition und aufgrund neurochemischer Prozesse zu wiederkehrenden und häufig schweren depressiven Verstimmungszuständen zu neigen, ohne dass die depressive Störung in ihrem Schweregrad durch äußere Belastungsfaktoren erklärt werden kann.
Häufig entsteht ein Teufelskreis zwischen dem Verlust positiver Anreize und der Einschränkung positiver Aktivitäten, was wiederum zu einer Einbuße an Erfolgserlebnissen und Selbstwertgefühl führt. Es kommt zu sozialem Rückzug, erlernter Hilflosigkeit und der Vermeidung von Neuerfahrungen. Der depressiv erkrankte Mensch befindet sich zunehmend in einem Teufelskreis negativer Gedanken und Gefühle.
Bei der gemeinsamen Erarbeitung therapeutischer Zielsetzungen und Ansatzpunkte kommt es darauf an, positive Verhaltens- und Interaktions-Kreisläufe zwischen Person und Umwelt wieder zu fördern. Der Aufbau positiven Erlebens und die Reaktivierung individueller gesunderhaltender Ressourcen sind hierbei ebenso wesentlich wie die Realitätsüberprüfung und Modifikation depressiver Wahrnehmungsverzerrungen und Gedankenkreisläufe. Der handlungsorientierte Therapieansatz beinhaltet die zielgerichtete Planung, Motivierung, Erprobung und gemeinsame Auswertung der in angemessenen Lernschritten stattfindenden Veränderungen.
Behandlung von Schmerzen
Die sehr weit verbreiteten Schmerzsyndrome werden in unserem Hause in enger Kooperation zwischen Ärzten und Psychologen behandelt. Der Arzt informiert den Patienten zu Beginn der Therapie über die organmedizinischen Befunde. Das Ziel der Therapie besteht darin, die Beeinträchtigungen durch die Symptome zu verringern.
Die intensive Suche nach Einflussbedingungen für die Beschwerden und Veranschaulichung der Krankheitszusammenhänge mit Hilfe von Verhaltensexperimenten und Biofeedback bilden ein Teil des Vorgehens. Effektive psychologische Gruppenprogramme kommen dabei genauso zum Einsatz wie Übungen zur Körperwahrnehmung oder spezielle Sportangebote für Schmerzpatienten. Chronische Schmerzsyndrome und Funktionsstörungen der Bewegungsorgane stellen eine Herausforderung für die an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen dar. Die Therapie chronischer Schmerzstörungen erfolgt auch hier auf der Grundlage eines integrativen und interdisziplinären Behandlungsansatzes. Wesentliches Merkmal eines solchen Konzepts besteht in einem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell, dem zufolge neben somatischen Anteilen immer auch psychische und soziale Bedingungen an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen beteiligt sind. Im Hinblick auf die Therapie folgt daraus die Abkehr von traditionellen Heilungserwartungen und die Hinwendung zu therapeutischen Angeboten, den von Schmerzen Betroffenen durch gezielte Förderung eigener Kompetenzen zu einem verbesserten Umgang zu verhelfen und seine gesundheitsbezogenen Anteile zu stärken.
Behandlung von Essstörungen
In der Vogelsbergklinik werden seit Jahren erfolgreiche Programme zur Behandlung von Bulimie, Anorexia nervosa und Adipositas durchgeführt. Hierbei ergänzen sich die kurzfristigen Strategien zur Normalisierung des Gewichtes und des Essverhaltens mit den längerfristigen psychologischen Interventionen.
Ausgehend von einem multifaktoriellen Entstehungsmodell kommen neben einem adäquaten Ernährungsmanagement andere psychologische Interventionen Exposition mit Reaktionsverhinderung, familientherapeutische Ansätze, Körperschemaübungen u.a. zum Einsatz. Gruppenangebote in Bewegungstherapie werden durch edukative Ernährungsvorträge ergänzt. Neben der notwendigen Diagnostik, Informationsvermittlung und Beziehungsbildung werden die individuellen Krankheitsmodelle mit den Patienten erarbeitet. Dazu müssen unter anderem die Bedeutung der Motive wie Selbstverstärkung, Selbstbestrafung, Kontrolle, Entspannung und Ablenkung, die die Aufmerksamkeit für Hunger, Durst, Sättigung und Appetit verringern, identifiziert werden. Daran schließt sich eine Lern- und Erfahrungsphase an, die in einen ernährungsphysiologischen und bewegungstherapeutischen sowie psychophysiologischen Teil unterteilt wird. Die Patienten lernen die Fallen der Ernährung zu identifizieren, erhalten ein psychoedukatives Angebot, erlernen im bewegungstherapeutischen und körpertherapeutischen Bereich Mittel zur Verbesserung der verschobenen Körperschemata kennen. In der letzten Phase der Behandlung liegt das Ziel auf einem langfristigen Gewichtsmanagement.
Behandlung von Ängsten
Ziel der Therapie ist die Förderung einer realistischen internalen Kontrollüberzeugung, d.h. nicht nur das Wissen über Bewältigungsstrategien und -möglichkeiten, sondern auch das Erproben und Erfahren der eigenen Kompetenz im Umgang mit der Angst. Anspruch ist niemals das angstfreie Leben, sondern ein angemessener Umgang mit angstbesetzten Situationen.
Seien dies nun äußere Reize mit ihrer jeweils subjektiven Bewertung oder innere Reize, von körperlichen Phänomenen bis zu spezifischen Gedankenmustern. Die Expositionsbehandlung ist hierbei eine sehr wirksame Methode. Als Vorbereitung lernt der Patient seine Angststruktur durch Beobachtung der Auslöser und der Häufigkeit - genau kennen. Die Vermittlung von Entstehungsmodellen dient der Validierung des subjektiven Empfindens. Die Expositionen werden kognitiv in allen Stadien sehr sorgfältig vorbereitet. Je nach Anforderungen des Einzelfalles werden unterschiedliche Verfahren von massiert bis graduell in vivo und in sensu angewendet. Die zunächst angeleiteten Expositionen werden mit der Zeit alleine durchgeführt. Indikative Gruppenprogramme werden durch spezielle Sportangebote für Angstpatienten ergänzt.
Behandlung von Traumafolgen
Die Behandlung von traumatisierten Patienten zählt seit Jahren zu den Schwerpunkten der therapeutischen Arbeit der Vogelsbergklinik. Am Anfang der Traumatherapie steht Informationsvermittlung und Motivationsklärung im Vordergrund. In dieser Phase wird das individuelle Störungsmodell erarbeitet und das anstehende Vorgehen kognitiv vorbereitet.
In der Stabilisierungsphase erlernen die PatientInnen verschiedene Imaginationen - eines sicheren Ortes, innerer Helfer, screen-Technik, die Baumübung u.a. und Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training. Die Konfrontationsphase bildet das Kernstück der Behandlung. Das therapeutische Angebot zur Traumaexposition besteht aus einer Anzahl von Methoden: EMDR, imaginatives Nacherleben, Bildschirmtechnik, Beobachtertechnik, Konfrontationen in vivo. Die Verfahren werden von erfahrenen Therapeuten unter fachlicher Supervision durchgeführt. In der Indikativen Gruppe Trauma werden die Störungsmodelle der Erkrankung vermittelt. In der Abschlussphase wird die Rückkehr ins Alltagsumfeld vorbereitet. Als Rückfallprophylaxe werden in Anlehnung an die Dialektisch-Behaviorale-Therapie Grundübungen des Fertigkeitentrainings vermittelt.
PROGRAMME
Hilfe für Helfer
Menschen in sozialen Berufen Lehrer, Erzieher, Pfleger u.a. - sehen sich im beruflichen Alltag mit der Diskrepanz zwischen eigenen Ansprüchen und Anforderungen, ihren persönlichen Zielen und der Realität konfrontiert. Die langanhaltende und vielfältige Belastung führt zu physischen und psychischen Beschwerden, die die Lebensqualität dauerhaft massiv einschränken.
Betroffene fühlen sich häufig fremdgesteuert und hilflos. Sie sind müde und frustriert, zweifeln an ihrer Kompetenz und weisen massive körperliche, emotionale und kognitive Stresssymptome auf, die dauerhaft zu psychosomatischen Erkrankungen führen (Depression, Angst, somatoforme Störungen, häufig auch Alkohol- und Medikamentenabusus bzw. abhängigkeit).
Der Gruppenarbeit für diese Zielgruppe liegt der verhaltenstherapeutisch orientierte Ansatz des Selbstmanagements zugrunde. Ziel ist es, Möglichkeiten zur Entwicklung effektiver Fähigkeiten zur Selbstregulation und Selbstkontrolle zu bieten. Die Teilnehmer haben dabei die aktive Rolle derjenigen Person, die sich selbst verändert, um die Anforderungen des Schulalltages besser oder anders bewältigen zu können. Dabei wird auch das systematische Problemlösen erlernt, das die genaue Differenzierung zwischen lösbaren Problemen und Tatsachen (Situationen, die nicht beeinflussbar, nicht veränderbar sind) voraussetzt. Gleichzeitig werden Strategien des Sozialmanagements vermittelt, die es Betroffenen ermöglichen, mit schwierigen Menschengruppen, aber auch mit Kollegen sowie Eltern in gesunde Beziehung zu treten. Das Programm Hilfe für Helfer wird durch das Outdoor- Training im Niedrigseilgarten ergänzt. Outdoor-Training ist kein spektakuläres Überlebenstraining in der Wildnis, sondern ein Gruppentraining in einem fest umrissenen Rahmen mit klar definierten Zielen.
Migranten
Nicht allein die sprachliche Verständigung garantiert den erfolgreichen Verlauf einer psychosomatischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung, eine ebenso wichtige Bedeutung haben nonverbale Kommunikationsprozesse.
Hierzu sind kulturspezifische Kenntnisse notwendig, um von Migranten verwendete Symbole, Redewendungen, Gestiken und Mimiken auf den gemeinten Sinn richtig zu deuten, sowie Reaktionen auf bestimmte Verhaltensweisen bzw. Themen verstehen zu können. Darüber hinaus erfordert das Herstellen einer tragfähigen Patient-Therapeut-Beziehung ein migrationsspezifisches Wissen (z.B. Kenntnisse über Familienkulturen in Herkunftsgesellschaften und in der Diaspora, Einwanderungssubkulturen, sozialer und rechtlicher Status von Migrantenfamilien) sowie einer interkulturellen Handlungskompetenz (z.B. vorurteilsbewusste Haltung und Sprache, Unterscheidung zwischen kultur- und nicht-kulturbedingten Konflikten, kultursensible Anamnese und Diagnostik). Unser Programm umfasst sowohl Spezialangebote für Migranten als auch integrative Angebote, die gemeinsam mit deutschen Patienten genutzt werden können. Das Therapieangebot für Migranten beinhaltet neben psychotherapeutischen Einzel-, Gruppen-, Paar- und Familiengesprächen zum Teil mit muttersprachlichen bzw. bilingualen Psychotherapeuten spezielle multiethnische Gruppenangebote in deutscher Sprache. Es umfasst drei multiethnische Spezialangebote für Migranten, die entsprechend dem individuellen Bedarf kombinierbar sind und unter der Voraussetzung sinnvoll zusammenfassbarer Gruppenteilnehmer zur Anwendung kommen.: Gruppe Rund um die Migration, Gruppe Multikulturelles Lernatelier, Gruppe Berufliche Integration.
Multipler Sklerose (MS) und Psyche
Unser Angebot richtet sich an Menschen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind und zusätzlich unter seelischen Problemen leiden. Hierbei handelt es sich um Betroffene,
o bei denen die Diagnose einer MS unsicher ist und der Verdacht auf eine Somatisierung psychischer Konflikte besteht
o die Probleme haben, ihre Diagnose zu akzeptieren und unter Ängsten und Depressionen leiden
o bei denen ein deutlicher Zusammenhang zwischen belastenden Lebensereignissen und den MS-Schüben besteht
o die schon vor der Diagnose unter latenten neurotischen Störungen gelitten haben, die jetzt aber MS-bedingt dekompensiert sind und
o deren Arbeitsfähigkeit durch das MS-typische chronische Müdigkeitssyndrom gefährdet ist.
Wenn man die konventionelle Medizin und einen naturheilkundlichen Ansatz miteinander verbindet und dies mit einer psychosomatischen Sichtweise kombiniert, spricht man von Ganzheitsmedizin. Sie beruht auf 5 Grundprinzipien:
Das 1. ist die Ganzheitlichkeit, von der dieser Ansatz seinen Namen hat. Damit ist gemeint, dass Körper und Seele nicht zu trennen sind und zwischen ihnen ein kompliziertes Netz von Wechselbeziehungen existiert
2. wird vom Patienten erwartet, dass er Mitverantwortung für seine Gesundung übernimmt
3. wird der Einzigartigkeit jedes Menschen eine hohe Bedeutung zugemessen
4. wird eine Selbstheilungskraft des Organismus angenommen, die mit Hilfe natürlicher Verfahren gefördert werden soll.
Und 5. wird alles gemieden, was in irgendeiner Weise zu einer zusätzlichen Schädigung führen könnte, weshalb man auch von einer sanften Therapie spricht.
Die Ergänzung der Schulmedizin durch naturheilkundliche Behandlungsmaßnahmen lässt sich im Bild vom Haus der Medizin zusammenfassen: Unten, im Erdgeschoss, ist alles untergebracht, was man selbst tun kann, also gesunde Ernährung, Stressabbau, Krankengymnastik, die Feldenkraismethode und Psychotherapie. Falls das nicht ausreicht, geht man ein Stockwerk höher zu den naturheilkundlichen Maßnahmen. Wenn aber auch das nichts nützt, dann sollte man sich nicht scheuen, die Hilfe der Schulmedizin in Anspruch zu nehmen, die ganz oben im Dachgeschoss wohnt.